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Childhood House

Rechtsgebiet:
Strafrecht
Autor:
Chrysanthi Fouloglidou
Veröffentlicht:
16.7.2024

Vernehmungen von Zeug*innen, die zugleich Opfer sind, sind mit Stress und Angst verbunden. Unvorstellbar schwierig ist es für Opfer sexualisierter Gewalt, eine Zeugenaussage (erneut) zu machen. Vernehmungen durch einen Ermittlungsrichter*in sind besonders herausfordernd. Um es Kindern und Jugendlichen, die Opfer geworden sind, „leichter“ zu machen, wurden diese Häuser eingerichtet. Die World Childhood Foundation wurde 1999 in Schweden gegründet. Die vier Schwesterstiftungen der World Childhood Foundation in Deutschland, Schweden, USA und Brasilien arbeiten derzeit mit über 50 Partnerorganisationen in 14 Ländern zusammen. Das Childhood House dient der Vernehmung von Kindern und Jugendlichen, denen Gewalt oder Misshandlung widerfahren ist. Es arbeiten Fachkräfte aus Medizin, Psychologie, Justiz, Polizei und Jugendhilfe interdisziplinär zusammen. Während der Vernehmung sind verschiedene Prozessbeteiligte anwesend, darunter die Staatsanwaltschaft, Sachverständigengutachter*innen und die Verteidigung. Es soll vermieden werden, dass das Kind mehrmals aussagen und so nicht immer wieder die Geschehnisse neu durchleben muss. Hierdurch kann einer erneuten Gefährdung der Kinder ansatzweise begegnet werden. Die Vernehmungen werden audiovisuell aufgenommen. Das Kind muss in einem geschützten Raum vor dem/der Ermittlungsrichter*innen aussagen, sodass es nicht durch weitere Prozessbeteiligte eingeschüchtert und verängstigt wird. Falls sich das Kind dies wünscht, sitze ich als sein Zeugenbeistand während der laufenden Vernehmung neben ihm.  

Räume

Neben einem eigenen Eingang befindet der Spiel- und Wartebereich. Dort kommen die Kinder und Jugendliche an und können sich dort auch wieder zurückziehen. Der Bereich ist mit Sitzgelegenheiten, Spielzeug und Büchern versehen.

Unmittelbar daneben befindet sich der Vernehmungsraum. Ein Raum, der liebevoll eingerichtet ist und eher an ein gemütliches Wohnzimmer erinnern soll. Es sind vier Kameras und drei Mikrofone für die Aufzeichnung angebracht. Die Bilder werden sowohl in dem Konferenzraum, in dem die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage sitzen als auch in dem Beschuldigten-Raum übertragen. Die Aufnahme kann eine spätere Vernehmung vor Gericht ersetzen.

Der Beschuldigten-Raum ist durch eine separate Schleuse erreichbar. So wird ein Zusammentreffen verhindert. Dort kann der/die Beschuldigte und die Verteidigung durch die Übertragung die Vernehmung verfolgen und über einem Tablet Fragen an das Kind stellen.

In dem Konferenzraum können sich weitere Prozessbeteiligte befinden, zum Beispiel Mitarbeitende der Jugendhilfe und Psycholog*innen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage stellen ebenfalls über einem Tablet Fragen.

Werden die Kinder durch die Sorgeberechtigten begleitet, nehmen sie in einem separaten Raum Platz, die Vernehmung verfolgen sie nicht mit.

Selten ist die psychosoziale Prozessbegleitung anwesend, was dringend geändert werden muss.

In einem Untersuchungsraum gibt es die Möglichkeit, die Kinder oder Jugendliche medizinisch zu untersuchen. Eine Kinder- und Jugendärztin ist vor Ort.

Ablauf

Die Kinder oder Jugendliche gelangen durch einen eigenen Eingang zum Spiel- und Wartebereich. Die Eltern, Familienangehörige, Ergänzungspfleger können als Beistand anwesend sein, jedoch nicht während der Vernehmung. Der/Die Beschuldigte und seine Verteidigung nehmen im Beschuldigten-Raum Platz, die anderen Prozessbeteiligte im Konferenzraum.

Dem Kind oder dem/der Jugendlichen wird ein Zeugenbeistand zur Seite gestellt. Dieser wird vom Gericht bestellt oder kann bereits als Nebenklagevertretung beigeordnet sein. Der Zeugenbeistand kann während der gesamten Vernehmung im Interview-Raum anwesend sein, sofern dies das Kind möchte.

Der/Die Ermittlungsrichter*in stellt sich dem Kind vor und sie gehen gemeinsam in den Interview-Raum. Das Kind soll im besten Fall das konkrete Geschehen schildern. Am Ende der Befragung durch den/der Ermittlungsrichter*in, kann der/dieBeschuldigte, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage/Zeugenbeistand Fragen über das Tablet stellen. Wenn es keine Fragen gibt, ist die Vernehmung beendet. Das Kind kann sich wieder im Spiel- und Warteraum aufhalten oder mit den Eltern oder Familienangehörige das Childhood House verlassen.

Ziel ist es, die Rechte der Kinder auf eine sichere und liebevolle Kindheit zu schützen und die Lebensbedingungen derjenigen Kinder zu verbessern, die sexuellem Missbrauch und Gewalt ausgesetzt sind. Ihre Rechte sollen auch durch die Bestellung von Zeugenbeiständen gestärkt werden. Im Vorfeld führe ich die Gespräche mit ihnen, stehe ihren Fragen Rede und Antwort, versuche, Sicherheit zu geben und sowohl die Vernehmung als auch das Davor und Danach irgendwie erträglicher zu machen.