5
Minuten Lesezeit

Eheverträge – eine Hommage

Rechtsgebiet:
Familenrecht
Autor:
Chrysanthi Fouloglidou
Veröffentlicht:
5.4.2024

… und warum man auch in der Ehe besser „angeschnallt“ fährt

Eheverträge werden seltener geschlossen. Ein möglicher Grund? Liebe und Verträge schließen sich in unserer Vorstellung aus. Im Grunde genommen ist das Gegenteil der Fall. Hiervon zu überzeugen, gelingt schwer, denn Verträge und Liebe passen für uns irgendwie nicht zusammen. Dabei ist Ziel eines Ehevertrages, einen sicheren Fahrplan für den Fall zu haben, dass es zu einer Trennung kommt. Es sollen streitige Verfahren vermieden, Zeitund Kosten gespart werden. Im Interesse gemeinschaftlicher Kinder zu handeln, wechselseitigen Respekt im Falle einer hochkonfliktbehafteten Trennung zu bewahren, ein gutes Erziehungsvorbild zu sein, und von all den anderen gutenV orsätze wird schließlich bei Eheschließung (noch) ausgegangen. Den Weitblick, dass das alles bei einer Trennung auf wackeligen Beinen stehen kann, haben die Wenigsten. Vielleicht schafft dieser Beitrag, vom Ehevertrag zu überzeugen.  

Welche Vorschriften gelten?

Sucht man nach gesetzlichen Legaldefinitionen oder Inhaltsbestimmungen für einen Ehevertrag wird man nicht fündig werden. Zur Vertragsgestaltung ist auf allgemeine schuldrechtliche Vorschriften zurückzugreifen, wobei familienrechtliche Formvorschriften zu beachten sind.

Die allgemeinen Grundsätze des Schuldrechts, die gelten, sind beispielsweise, dass sich die Parteien im Regelfall nicht einseitig vom Vertrag lösen können. Auch dort, wo Rechte Dritter oder „schwächerer“ Personen tangiert werden, ist besondere Vorsicht geboten. Ein weiterer Grundsatz des Schuldrechts ist die Dispositionsfreiheit. Wichtig zu wissen: einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen gibt es nicht, die Scheidungsfolgen sind also grundsätzlich disponibel. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass der Schutzzweck gesetzlicher Regelungen unterlaufen wird. Das passiert beispielhaft dann, wenn die individuelle Vereinbarung evident eine Partei derart belastet, dass nicht von einer gerechtfertigten Lastenverteilung ausgegangen werden kann.

Das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs 

Wer sich mit demFamilienrecht auseinandersetzt, kennt das sogenannte Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zur Inhaltskontrolle. Nicht die jüngste Entscheidung, jedoch nach wie vor von elementarer Bedeutung für die Vertragsgestaltung im Familienrecht. DieInhaltskontrolle dient der Individualität, berücksichtigt den ehelichenLebenswandel und versucht, dem Bedürfnis gerecht zu werden, in der Ehe nach wie vor eine allgemeine gerechte Lastenverteilung zu garantieren.

DasGrundsatzurteil des Bundesgerichtshofs benennt sogenannte Kernbereiche derInhaltskontrolle, welche nicht der freien Disposition unterliegen. Die Kernbereiche sind der Betreuungsunterhalt, der Krankheitsunterhalt, der Altersunterhalt und der Versorgungsausgleich. Hingegen sind güterrechtliche Vereinbarungen der ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich. Vorsicht: DerKindesunterhalt unterliegt nicht der freien Disposition. Für Regelungen inBezug auf den Versorgungsausgleich ist die Besonderheit zu beachten, dassVereinbarungen zu Lasten Dritter, beispielsweise der Versorgungsträger nichtmöglich sind. Vereinbarungen zum Zugewinnausgleich sind weitgehend möglich.

DasGrundsatzurteil hat unter anderem betont, dass Wirksamkeit und Bestand der vertraglichen Regelungen auf einer ersten Stufe im Wege derWirksamkeitskontrolle und auf einer weiteren Stufe über eine Ausübungskontrolle zu prüfen sind.  Die Inhaltskontrolle soll aufzeigen, ob der Vertrag bei Abschluss sittenwidrig gewesen ist. DieAusübungskontrolle soll die Frage klären, ob es einer Partei versagt ist, sich auf die Vereinbarung zu berufen.

Am Ende findet eine Gesamtwürdigung statt. Das bedeutet, dass für den Fall, dass einzelneRegelungen nicht sittenwidrig sind, der Vertrag in seiner Gesamtheit als sittenwidrig einzustufen ist, wenn alle getroffenen Vereinbarungen erkennbar darauf abzielen, eine Partei zu benachteiligen.

Ein Ehevertrag ist nicht mehr in der Trennungsphase möglich, oder?

Wenn wir überEheverträge sprechen, ist es wichtig zu wissen, dass es vorsorgende Eheverträge, Trennungsvereinbarungen und Scheidungsfolgenvereinbarungen gibt. Vorsorgende Verträge schließt man im Rahmen der Planung ihrer Eheschließung, beispielsweise frisch Vermählte. Zu diesem frühen Zeitpunkt sind nur Regelungen allgemeiner Natur vereinbar. So sind Bezifferungen von Ansprüchen in Geld undRegelungen betreffend des Sorge- und Umgangsrechts in Bezug auf ungeboreneKinder nicht möglich bzw. verboten. In den vorsorgenden Verträgen geht es vor allem um die Fragen des Güterstands, beispielhaft soll das beiderseitigeAnfangsvermögen unstreitig gestellt werden, ein Verzeichnis über das Vermögen erstellt werden etc.

Wollen Eheleute Trennungsvereinbarungen treffen, so leben sie bereits getrennt, und suchen Rat, um alle mit der Trennung und einer Ehescheidung verbundenen Fragen zu klären, um also in aller Regel stressige Verfahren zu vermeiden. Wenn den Eheleuten klar gemacht werden kann, dass kostspielige Verfahren, in denen Risiken imVorhinein kaum abschätzbar sind, vermeidbar sind, schaffen es sogar zerstritteneEheleute, einen Schritt aufeinander zuzugehen. Eine Besonderheit besteht darin, dass Trennungsvereinbarungen entweder ausdrücklich vorläufigen Charakter haben, sich also inhaltlich nur auf die Zeit bis zu einer rechtskräftigen Scheidung beziehen oder aber sie entfalten bereits abschließende, auf die Auflösung derEhe gerichtete Regelungen und somit endgültigen Charakter. Die Mandantschaft sollte aufgeklärt werden, dass bei dem Wunsch, schon früh nach der Trennung endgültige Fakten schaffen zu wollen, sich vieles in der Folgezeit noch ändern kann.

Steht der Entschluss zur Scheidung fest, oder ist das Scheidungsverfahren sogar schon anhängig, treffen die Eheleute sogenannte Scheidungsfolgenvereinbarungen. Die Absprachen beziehen sich also hierbei auf den Zeitpunkt nach Rechtskraft der Scheidung. Bezüglich der Gestaltungsmöglichkeiten bestehen in diesem Stadium der Vertragsgestaltung andere Maßstäbe. Denn: ein Ungleichgewicht ist eher hinnehmbar, da man nachScheitern der Ehe von einer Transparenz in Bezug auf die wirtschaftlichenVerhältnisse ausgehen kann.

Was kann im Ehevertrag vereinbart werden?

Die folgende, nicht abschließende Aufzählung wird deutlich machen, wie vielfältig dieGestaltungsmöglichkeiten sind. Im Ehevertrag kann eine Rechtswahl getroffen werden, ein Vermögensverzeichnis aufgenommen oder ein jeweiliges Vermögen festgestellt werden, Anfangs-, und oder Endvermögen bewertet werden. Es kann die Gütertrennung oder Gütergemeinschaft vereinbart werden In Bezug auf denZugewinn kann dieser bei Rechtskraft der Ehescheidung oder Scheitern der Eheausgeschlossen werden. Es kann auch das Betriebsvermögen aus dem Zugewinnherausgenommen werden. Es kann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen, einTeilverzicht erklärt oder einzelne Anrechte zum Versorgungsausgleich herausgenommen werden.

Last but not least: Die Sache mit der notariellen Beurkundung

Zuletzt einige Infos darüber, ob Eheverträge einem Formzwang unterliegen, was so viel bedeutet, dass sie notariell beurkundet werden müssen. Dies ist aus dem Grund wichtig zu wissen, als dass bei Nichteinhaltung eines Formbedürfnisses der Ehevertrag nichtig ist. Der notariellen Beurkundung bedürfen Vollstreckungsunterwerfungserklärungen, güterrechtliche Vereinbarungen vorRechtskraft der Ehescheidung, Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich und zuletzt Unterhaltsvereinbarungen für den Fall, dass die Ehe noch nichtgeschieden ist.

Konnte ich Sie davon überzeugen, besser angeschnallt in Ihrer Ehe zu fahren? Dann rufen Sie mich gern an, ich berate Sie umfassend, unabhängig davon, ob Sie frischverliebt oder frisch getrennt sind oder schon den Antrag auf Ehescheidung gestellt haben. Ein Vertrag macht immer Sinn, denn er gewährleistet Sicherheit.